Edita Gruberová im Wiener Musikverein
http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/musik/konzert/523625_Belcanto-Lehrstunde.html
Belcanto-Lehrstunde
Ihre bis dato letzte neue Rolle präsentierte Sopranlegende
Edita Gruberová in konzertanter Version im Wiener Musikverein. Alleine das wäre
schon bemerkenswert, denn sie feiert heuer ihr 45. Bühnenjubiläum. Doch wie sie
die Alaide in Bellinis selten aufgeführter "La straniera" meistert,
macht sie zum Phänomen.
Eine deutsche Agentur organisierte den ersten von zwei
konzertanten Probeläufen in Wien, bevor Gruberová die Rolle der in die Fremde
gejagten "straniera" auf Opernbühnen präsentieren wird. Gruberová
zeigte sich stimmlich in Form und baute große dramatische Bögen. Schlichtweg
atemberaubend, wie sie die Spannung auch bei großen Sprüngen vom hohen ins
tiefe Register und wieder zurück hielt, dabei die Stimme zurücknahm und zu
feinen Pianoabstufungen abdunkelte. Jedes Belcanto-Detail war bis ins Kleinste
gestaltet und durchdacht. Zwar geriet manches Phrasen-Ende stumpf im Klang,
doch die Spitzentöne blühten auf. Musikalisch belebte sie die in der Verbannung
leidende Alaide bis in die kleinste melodische Nuance.
An ihrer Seite sang Sonia Ganassi die Rolle der Isoletta -
sie vermochte mit dunklem Timbre intensive Akzente zu setzen. José Bros war mit
seinem hellen Tenor Gruberová in der Lautstärke ebenbürtig; sein Timbre rutschte
aber ins trompetenhaft Schnarrende. Paolo Gavanellis reifer, aber wohlig
weicher Stimme folgte man mit Sympathie. Aus den kleineren Rollen ragte
Sung-Heon Ha mit markigem Bass heraus.
Das Münchener Opernorchester bewies wenig motivierte
Routine. Lag’s am Dirigenten? Pietro Rizzo agierte gelassen und schien mehr auf
das vom Konzertmeister vorangetriebene Orchestergeschehen zu reagieren als
interpretatorisch zu agieren. Der Philharmonia Chor Wien sang mit
Aufmerksamkeit. Mit dem Regisseur Christof Loy erarbeitet Gruberová die Rolle
für die Bühne: Heuer im Juni wird sie in Zürich und 2015 im koproduzierenden
Theater an der Wien als Alaide zu sehen sein. Auch dort wird es wohl Standing
Ovations geben.