Dmitrij Kitajenko: "Man muss sich nur etwas
trauen"
http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/kultur/2111214/dmitrij-kitajenko-man-muss-sich-nur-etwas-trauen.story
Einen
verwegenen Schlusspunkt setzt der russische Dirigent Dmitrij Kitajenko morgen
beim Carinthischen Sommer.
Sie
führen morgen Ibert, Mendelsohn und Strawinskys "Feuervogel" auf.
Drei Stücke, die auf den ersten Blick sehr weit auseinander liegen. Wie haben
Sie das Programm zusammengestellt? Sind Wünsche vom Orchester mit eingeflossen?
DMITRIJ
KITAJENKO: Die Idee kam von beiden Seiten. Das Orchester ist ja aus
Frankreich und die Ouverture von Ibert, die das Orchester mitgebracht hat, ist
ein guter Auftakt. Die
festliche Ouverture, komponiert 1940, dauert ungefähr eine Viertel Stunde und
ist brillant instrumentiert. Darauf dann Mendelsohns Violinkonzert aufgrund des
Jubiläums und nach der Pause die komplette Ballettmusik aus dem
"Feuervogel", Gerade Strawinsky passt ja zum französischen Klang und
der "Feuervogel" wurde ja, glaube ich, in Frankreich uraufgeführt.
Sie gelten als Spezialist für die klassische russische
Moderne und in nur zwei Jahren sämtliche Schostakovitsch-Symphonien
eingespielt. Wie geht das?
KITAJENKO:
Das war eine sehr intensive und harte Arbeit. Aber man muss wenig erklären, das
ging wie mit alten Bekannten, mit denen man vertraut arbeiten kann. Ich habe
auch schon angefangen, sämtliche Tschaikowski-Symphonien aufzunehmen.
Liegt für
Sie, der Sie ja auch aus Russland kommen, eine besondere Faszination in dieser
Musik?
KITAJENKO: An Schostakowitsch habe ich viel gearbeitet. Von
seinen Symphonien sind heute nur noch die 1., 5., 7. und 10. zu hören. Alle
anderen liegen sozusagen im Archiv, total unberechtigt. Das Orchester war dann
auch begeistert von Schostakowitschs Klangwelt. Mit dem Ergebnis der Aufnahme
war ich sehr zufrieden, es ist, als würde Schostakowitsch zu mir sprechen.
Sie sind
als Dirigent weit herum gekommen, haben Orchester in Russland, Skandinavien,
Schweiz und Korea geleitet. Jedes Orchester hat seinen Stil, wie lässt man sich
als Dirigent darauf ein?
KITAJENKO:
Es ist wie bei den Menschen. Jeder hat sein eigenes Gesicht, eine eigene
Sprache. Bei einem kollektiven Orchester ist es genauso: eine eigene
Mentalität, ein eigenes Gesicht. Psychologisch ist es wichtig vom ersten Moment
einen guten Kontakt zum Orchester herzustellen. Am wichtigsten: kein Stress ab
der ersten Probe! Man muss sich von Anfang an etwas trauen, sonst kommt keine
Musik zustande. Für mich ist es nicht wichtig, wo ich dirigiere. Ob in Europa,
Asien oder Russland, überall wollen die Leute spielen, arbeiten und einen
tollen Konzertabend gestalten.
Wie sind
Sie eigentlich zur Musik gekommen? Wollten Sie von Anfang an Dirigent werden?
KITAJENKO:
Ich komme aus Leningrad und in der Straße meines Geburtshauses war eine
Musikschule. Es war direkt nach dem Krieg und meine Mutter bestand darauf, dass
ich Musikunterricht bekam. Zu Hause stand ein altes Klavier und schon als
kleiner Bub habe ich versucht darauf zu spielen. Nach der bestandenen
Aufnahmsprüfung habe ich als Chor- und Orchesterleiter angefangen und ein Jahr
in Wien bei Hans Swarowsky und Karl Österreicher studiert. 1969 gewann ich den
Karajan-Wettbewerb, dann kam das eine zum anderen.
INTERVIEW:
PHILIP WALDNER