Autor: Johannes Nauber
Datum objave: 10.05.2013
Share
Komentari:


Oper Köln

Il trittico

 Oper Köln

http://www.omm.de/veranstaltungen/musiktheater20122013/K-il-trittico.html

 Dreimal Hölle auf Erden

Von Thomas Molke / Fotos von Bernd Uhlig

 Während Mascagnis Cavalleria rusticana und Leoncavallos Pagliacci mittlerweile als Theaterabend nahezu zu einer Einheit verschmolzen sind, ohne dass dies von den Komponisten so beabsichtigt worden wäre, werden Puccinis drei Einakter häufig auch mit anderen Einaktern oder Kurzopern kombiniert, obwohl  Il trittico bei aller Verschiedenheit der drei einzelnen Teile von Puccini immer als ein zusammengehörendes Stück betrachtet wurde. Stellt man sich nun die Frage, was denn ein tödlich endendes Eifersuchtsdrama im Hafenarbeitermilieu von Paris, ein anrührendes Melodram einer jungen Frau, die aufgrund ihres unehelich geborenen Kindes von ihrer Familie ins Kloster abgeschoben wird und dort Selbstmord begeht, nachdem sie vom Tod ihres Sohns erfährt, und eine schwarzhumorige Komödie, in der ein cleverer Neureicher eine großbürgerliche Familie bei dem Versuch der Erbschleicherei austrickst und sich selbst einen Großteil des Erbes zuteilt, gemeinsam haben, lässt sich feststellen, dass alle drei Geschichten eine Art der Hölle beschreiben. Wie es in den Triptychen der Kunstgeschichte häufig darum geht, eine vereinende Darstellung von Paradies, realer Welt und Hölle zu finden, so bieten Puccinis Einakter drei unterschiedliche Blickwinkel auf ein Inferno, das allerdings in der realen Welt angesiedelt ist, naturalistisch zeitgenössisch im Mantel, religiös verklärt bei Schwester Angelica in den Mauern eines Klosters und schließlich in der Renaissance bei Gianni Schicchi mit überzeichneten Charakteren und zynischem Unterton.

 

 Die Oper Köln hat für die Produktion drei verschiedene Regisseurinnen verpflichtet, die mit drei Kostümbildnerinnen jedem einzelnen Teil des  Trittico eine individuelle Regiehandschrift verpassen. Solch eine Vorgehensweise kennt man beispielsweise von Ring-Zyklen in Essen oder Stuttgart. Während bei diesen Inszenierungen einer durchgängigen Geschichte in vier Teilen allerdings zwischen den einzelnen Teilen überhaupt kein Zusammenhang mehr besteht, erarbeiten Sabine Hartmannshenn, Eva-Maria Höckmayr und Gabriele Rech ihre Inszenierungen alle mit einem Bühnenbildner (Dieter Richter) und erreichen so eine Einheit in den drei verschiedenen Geschichten. Besonderes Augenmerk liegt in allen drei Teilen auf dem, was unter der eigentlichen Spielfläche liegt. Dazu hat Richter die Bühne in drei Ebenen unterteilt. Auf der mittleren erhöhten Ebene findet die Handlung statt. Darunter befindet sich im  Mantel ein Raum, den Michele und Giorgetta im Inneren ihres Schiffes mit einem Sammelsurium an Gegenständen wohl ihr Heim nennen dürfen und der durch die Enge verdeutlicht, dass Giorgetta bei diesem Leben die Luft zum Atmen fehlt. In  Schwester Angelica erinnert dieser Bereich an ein Verlies, in das die Nonnen verstoßen werden, die sich nicht an die vom Kloster aufgestellten Normen halten. Bei Gianni Schicchi handelt es sich um den Keller, der unter der Wohnung des verstorbenen Buoso Donati liegt und in dem nicht nur allerlei Gerümpel herumliegt, das die habgierigen Verwandten sich anzueignen versuchen, als sie von Schicchi schließlich aus dem Haus getrieben werden, sondern in den auch die Leiche des Verstorbenen "entsorgt" wird, damit Gianni Schicchi als Buoso Donati das neue Testament diktieren kann.

Während Richters Bühnenbild auch in den anderen Ebenen den einzelnen Teile gut angepasst ist, können die Deutungen der drei Regisseurinnen nicht gleichwertig überzeugen. Sabine Hartmannshenn findet für den Mantel zunächst stimmige naturalistische Bilder. Die dritte Ebene ist in diesem Teil noch nicht zu sehen, sondern mit einer Kassettendecke verschlossen, so dass der Bühnenraum einen ähnlich klaustrophobischen Eindruck hinterlässt wie die untere Ebene. Mehrere Pfeiler scheinen die Bühne vor dem Einsturz zu bewahren. Das einzige Licht, das in diese triste, rostige Einöde fällt, stammt von einem Bordell auf der linken Seite der Bühne. Giorgetta wirkt in ihrem bunten Kleid in dieser Welt wie ein Fremdkörper und scheint, von dieser Enge erdrückt zu werden. Direkt im ersten Bild macht Hartmannshenn deutlich, dass die beiden nichts mehr verbindet. Michele steht in seinem Mantel im Hintergrund der Bühne mit dem Rücken zum Publikum und zündet sich eine Zigarette an, während Giorgetta traurig ins Publikum blickt. In gewissem Sinn könnte man meinen, dass diese Szene schon das Ende vorwegnimmt, da Micheles Anzünden einer Pfeife von Giorgettas Liebhaber Luigi als Zeichen für das gemeinsame Rendezvous interpretiert wird und letztendlich zum Kampf mit tödlichem Ausgang führt. Aber Hartmannshenn meint, am Ende die Geschichte abändern zu müssen. So ist es eben nicht Michele, der den Liebhaber seiner Frau im Kampf tötet und ihn anschließend mit seinem Mantel bedeckt, sondern Giorgetta selbst. Das Motiv bleibt dabei völlig unklar. Als es zum Zusammentreffen der beiden Männer kommt, sitzt sie noch im unteren Teil der Bühne und greift zum Messer. Will sie Michele töten oder vielleicht sogar sich selbst? Handelt es sich bei dem Mord um einen Unfall? Diese Fragen muss das Publikum wohl für sich allein beantworten. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass am Ende gegen das Libretto inszeniert wird, was vielleicht die ein oder andere Unmutsbekundung beim Auftritt des Regie-Teams begründen mag.

 

 Musikalisch begeistert vor allem Asmik Grigorian als Giorgetta. Mit großen dramatischen Ausbrüchen zeichnet sie die Verzweiflung dieser jungen Frau, die über den Tod ihres Kindes nie hinweggekommen ist und keinen Sinn mehr im Zusammenleben mit Michele sieht, so dass sie nur durch ihren Liebhaber Luigi zu neuer Lebenslust gelangen kann. Stimmlich zieht sie dabei alle Register von glühender Leidenschaft bis zu bitterer Verzweiflung. Héctor Sandoval kann als Liebhaber Luigi da nicht ganz mithalten. Sein klangschöner Tenor geht bisweilen in den dramatischen Bögen des unter Will Humburg bewegend geleiteten Gürzenich Orchesters Köln unter. Scott Hendricks stattet den Michele mit großem Bariton aus und kann auch darstellerisch als innerlich zerrissener Mann, der verzweifelt um die Liebe seiner Frau kämpft, überzeugen. Wieso Dalia Schaechter als Frugola zu Beginn der Oper in der unteren Ebene herumstöbern muss und stets ein bisschen verrückt wirkt, ist wohl Hartmannshenns Personenregie geschuldet. Auch wenn der Sinn nicht ganz klar wird, setzt Schaechter ihre Rolle darstellerisch überzeugend um. John Heuzenroeder, Ulrich Hielscher, Jeongki Cho, Erika Simons und Juraj Hollý runden in den kleineren Partien die musikalische Leistung gut ab, so dass es nach diesem ersten Teil großen Applaus für die Sänger und das Orchester und größtenteils auch Zustimmung für das Regie-Team gibt, das bis auf die genannten Punkte eine stimmige Umsetzung des ersten Teils präsentiert.

Für Eva-Maria Höckmayrs Inszenierung von Schwester Angelica baut Richter auf der Spielfläche noch eine weitere Ebene ein. Die Spielfläche wird durch eine große Fensterfront mit quadratischen Fensterscheiben geteilt und zeigt hinter dieser Wand das bürgerliche Leben, dem Angelica nach ihrem "Sündenfall" entrissen worden ist. Zu Beginn sieht man dort die Fürstin (Dalia Schaechter) mit Angelicas jüngerer Schwester und deren designiertem Bräutigam speisen. Anfangs befindet sich Angelica ebenfalls hinter dieser Wand. Der Bräutigam bietet ihr sogar Essen an, aber schließlich flieht sie durch eine Tür und landet im Kloster, das sich durch einen großen Glaskasten auf der rechten Bühnenseite auszeichnet, in dem die Äbtissin später in prunkvollem Marienkostüm Platz nehmen wird. Höckmayrs Inszenierung setzt dabei vor allem auf Farbsymbolik. So kleidet sie einen Teil der Nonnen in leuchtend rote Gewänder. Zunächst befinden sich diese roten Nonnen nur im unteren Teil der Bühne, was sie wie gefallene Sünder in einem Verlies wirken lässt. Doch dieser Ansatz wird nicht durchgehalten. Im weiteren Verlauf bewegen sich diese roten Nonnen auf allen Ebenen. Lässt sich die Sünde also nicht einfach wegsperren? Wieso manche Nonnen ohne Kopfbedeckung auftreten, wirft weitere Fragen auf. Bei Angelica ist es noch einigermaßen nachvollziehbar, da sie in ihrem schwarzen Kleid mit dem weißen Kragen trotz aller Anstrengungen nicht in den Orden passt. Vielleicht will Höckmayr auch bei den anderen Nonnen individuelle Leidensgeschichten erzählen, aber das gibt die Kürze des Stückes nicht her, so dass viele Ideen einfach unverständlich bleiben.

 

 Ein Aspekt, den Höckmayr schon beinahe mit dem Holzhammer betont, ist Angelicas Beziehung zur Jungfrau Maria, die als einzige ohne Schuld ein uneheliches Kind empfangen durfte. So ist es zunächst die Äbtissin, Angelicas Vorgesetzte, die als Maria in dem Glaskasten Platz nimmt und ein Kind in weißem Gewand, das sich später als Angelicas toter Sohn entpuppt, in den Armen wiegt. Nachdem die Fürstin mit der Mitteilung über den Tod des Kindes Angelicas Lebenskraft gebrochen hat, legt die Äbtissin das glänzende Marien-Gewand ab und trägt das gleiche türkisfarbene Kleid wie die Tante. Hat also auch die Jungfrau Maria Angelica nun im Stich gelassen? In Angelicas Todesszene taucht ein älteres Ehepaar auf, das wahrscheinlich Angelicas verstorbene Eltern darstellen soll, die ihre Tochter nun nach dem Leben aufnehmen wollen. Auch das Kind tritt wieder auf und streckt die Arme nach der Mutter aus. Doch einer tatsächlichen Wiedervereinigung verweigert sich Höckmayr und lässt Angelica allein sterben. Höckmayrs Regie wird vom Publikum geteilt aufgenommen. Zustimmung und Missbilligung halten sich einigermaßen die Waage. Keine Kritik gibt es erneut an der musikalischen Umsetzung. Jacquelyn Wagner stattet die Titelpartie mit warmem Sopran aus und setzt die Zerbrechlichkeit dieser jungen Frau auch darstellerisch glaubhaft um. Dalia Schaechter lässt als Fürstin mit ihrer Kälte den Zuschauern das Blut in den Adern gefrieren. Romina Boscolo überzeugt als Äbtissin mit einem wohl-timbrierten Mezzo. Auch die anderen Sängerinnen und die Damen des Chors überzeugen in den kleineren Partien. Höhepunkt in diesem Teil ist gewiss das Gürzenich Orchester Köln unter der Leitung von Will Humburg, das den melodramatischen Tonfall des Stückes genau trifft und die Aussage des Stückes auch ganz ohne Regie allein aus der Musik heraus hätte tragen können.

 Den Abschluss nach diesen beiden tragischen Stücken bildet die Komödie Gianni Schicchi, und Gabriele Rech setzt alles daran mit diesem schwarzhumorigen Stück einen Kontrast zu den vorherigen Teilen aufzubauen. Großartig sind die grellen Kostüme, in die Sandra Meurer die geldgierigen Verwandten des verstorbenen Buoso Donati kleidet. Nur für Gianni Schicchis Tochter Lauretta hätte man sich ein anderes Outfit als das schwarze kurze Lederkleidchen gewünscht, das nicht ihrem lieblichen Auftreten in der großen Arie "O mio babbino caro" entspricht. Richter hat in diesem Stück die Trennung der Spielfläche aufgehoben und behält von Suor Angelica nur den Glaskasten auf der rechten Seite, in dem nun eine echte Madonnen-Statue steht. Das Eröffnungsbild zeigt die Familie an einer langen Tafel mit Buoso Donati versammelt, was man schon beinahe als eine boshafte Anspielung auf das letzte Abendmahl deuten könnte. Bei diesem gemeinsamen Mahl haucht Buoso Donati sein Leben aus und knallt, vielleicht etwas platt, mit seinem Kopf auf den Teller. Herrlich schräg heucheln die Verwandten nun ihre Trauer über sein Ableben, bis die Sorge allmählich die Runde macht, dass er sein ganzes Geld den Mönchen vererbt haben könnte. Dass sie dann auch die Marien-Statue bei der Suche nach dem letzten Willen des Verstorbenen auseinander nehmen, ist an makabren Einfällen kaum zu überbieten.

Sieht man von kleineren Regie-Mätzchen ab, gelingt es Rech, in einer stimmigen Personenregie die Geschichte zu erzählen. Dazu verfügt sie allerdings auch über ein Ensemble, das darstellerisch einiges zu bieten hat. Da ist zunächst Scott Hendricks zu nennen, dem die Rolle des hinterlistigen Gianni Schicchi regelrecht auf den Leib geschrieben ist. Mit großer Spielfreude schlüpft er in die Rolle des Verstorbenen und mimt mit näselnder Stimme den todkranken Buoso Donati. Dabei beweist er bei der Verkündung des neuen Testaments großartige komödiantische Fähigkeiten, die nach dem
1078
Kategorije: Glazba
Nek se čuje i Vaš glas
Vaše ime:
Vaša poruka:
Developed by LELOO. All rights reserved.