Oper Köln
http://www.omm.de/veranstaltungen/musiktheater20122013/K-il-trittico.html
Dreimal Hölle auf
Erden
Von Thomas Molke / Fotos von Bernd Uhlig
Während Mascagnis
Cavalleria rusticana und Leoncavallos Pagliacci mittlerweile als Theaterabend
nahezu zu einer Einheit verschmolzen sind, ohne dass dies von den Komponisten
so beabsichtigt worden wäre, werden Puccinis drei Einakter häufig auch mit
anderen Einaktern oder Kurzopern kombiniert, obwohl Il trittico bei aller Verschiedenheit der
drei einzelnen Teile von Puccini immer als ein zusammengehörendes Stück
betrachtet wurde. Stellt man sich nun die Frage, was denn ein tödlich endendes
Eifersuchtsdrama im Hafenarbeitermilieu von Paris, ein anrührendes Melodram
einer jungen Frau, die aufgrund ihres unehelich geborenen Kindes von ihrer
Familie ins Kloster abgeschoben wird und dort Selbstmord begeht, nachdem sie
vom Tod ihres Sohns erfährt, und eine schwarzhumorige Komödie, in der ein
cleverer Neureicher eine großbürgerliche Familie bei dem Versuch der
Erbschleicherei austrickst und sich selbst einen Großteil des Erbes zuteilt,
gemeinsam haben, lässt sich feststellen, dass alle drei Geschichten eine Art der
Hölle beschreiben. Wie es in den Triptychen der Kunstgeschichte häufig darum
geht, eine vereinende Darstellung von Paradies, realer Welt und Hölle zu
finden, so bieten Puccinis Einakter drei unterschiedliche Blickwinkel auf ein
Inferno, das allerdings in der realen Welt angesiedelt ist, naturalistisch
zeitgenössisch im Mantel, religiös verklärt bei Schwester Angelica in den
Mauern eines Klosters und schließlich in der Renaissance bei Gianni Schicchi
mit überzeichneten Charakteren und zynischem Unterton.
Die Oper Köln hat für
die Produktion drei verschiedene Regisseurinnen verpflichtet, die mit drei
Kostümbildnerinnen jedem einzelnen Teil des
Trittico eine individuelle Regiehandschrift verpassen. Solch eine
Vorgehensweise kennt man beispielsweise von Ring-Zyklen in Essen
oder Stuttgart.
Während bei diesen Inszenierungen einer durchgängigen Geschichte in vier Teilen
allerdings zwischen den einzelnen Teilen überhaupt kein Zusammenhang mehr
besteht, erarbeiten Sabine Hartmannshenn, Eva-Maria Höckmayr und Gabriele Rech
ihre Inszenierungen alle mit einem Bühnenbildner (Dieter Richter) und erreichen
so eine Einheit in den drei verschiedenen Geschichten. Besonderes Augenmerk liegt
in allen drei Teilen auf dem, was unter der eigentlichen Spielfläche liegt.
Dazu hat Richter die Bühne in drei Ebenen unterteilt. Auf der mittleren
erhöhten Ebene findet die Handlung statt. Darunter befindet sich im Mantel ein Raum, den Michele und Giorgetta im
Inneren ihres Schiffes mit einem Sammelsurium an Gegenständen wohl ihr Heim
nennen dürfen und der durch die Enge verdeutlicht, dass Giorgetta bei diesem
Leben die Luft zum Atmen fehlt. In
Schwester Angelica erinnert dieser Bereich an ein Verlies, in das die
Nonnen verstoßen werden, die sich nicht an die vom Kloster aufgestellten Normen
halten. Bei Gianni Schicchi handelt es sich um den Keller, der unter der
Wohnung des verstorbenen Buoso Donati liegt und in dem nicht nur allerlei
Gerümpel herumliegt, das die habgierigen Verwandten sich anzueignen versuchen,
als sie von Schicchi schließlich aus dem Haus getrieben werden, sondern in den
auch die Leiche des Verstorbenen "entsorgt" wird, damit Gianni
Schicchi als Buoso Donati das neue Testament diktieren kann.
Während Richters Bühnenbild auch in den anderen Ebenen den
einzelnen Teile gut angepasst ist, können die Deutungen der drei Regisseurinnen
nicht gleichwertig überzeugen. Sabine Hartmannshenn findet für den Mantel
zunächst stimmige naturalistische Bilder. Die dritte Ebene ist in diesem Teil
noch nicht zu sehen, sondern mit einer Kassettendecke verschlossen, so dass der
Bühnenraum einen ähnlich klaustrophobischen Eindruck hinterlässt wie die untere
Ebene. Mehrere Pfeiler scheinen die Bühne vor dem Einsturz zu bewahren. Das
einzige Licht, das in diese triste, rostige Einöde fällt, stammt von einem
Bordell auf der linken Seite der Bühne. Giorgetta wirkt in ihrem bunten Kleid
in dieser Welt wie ein Fremdkörper und scheint, von dieser Enge erdrückt zu
werden. Direkt im ersten Bild macht Hartmannshenn deutlich, dass die beiden
nichts mehr verbindet. Michele steht in seinem Mantel im Hintergrund der Bühne
mit dem Rücken zum Publikum und zündet sich eine Zigarette an, während
Giorgetta traurig ins Publikum blickt. In gewissem Sinn könnte man meinen, dass
diese Szene schon das Ende vorwegnimmt, da Micheles Anzünden einer Pfeife von
Giorgettas Liebhaber Luigi als Zeichen für das gemeinsame Rendezvous
interpretiert wird und letztendlich zum Kampf mit tödlichem Ausgang führt. Aber
Hartmannshenn meint, am Ende die Geschichte abändern zu müssen. So ist es eben
nicht Michele, der den Liebhaber seiner Frau im Kampf tötet und ihn
anschließend mit seinem Mantel bedeckt, sondern Giorgetta selbst. Das Motiv
bleibt dabei völlig unklar. Als es zum Zusammentreffen der beiden Männer kommt,
sitzt sie noch im unteren Teil der Bühne und greift zum Messer. Will sie
Michele töten oder vielleicht sogar sich selbst? Handelt es sich bei dem Mord
um einen Unfall? Diese Fragen muss das Publikum wohl für sich allein
beantworten. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass am Ende gegen das Libretto
inszeniert wird, was vielleicht die ein oder andere Unmutsbekundung beim
Auftritt des Regie-Teams begründen mag.
Musikalisch
begeistert vor allem Asmik Grigorian als Giorgetta. Mit großen dramatischen
Ausbrüchen zeichnet sie die Verzweiflung dieser jungen Frau, die über den Tod
ihres Kindes nie hinweggekommen ist und keinen Sinn mehr im Zusammenleben mit
Michele sieht, so dass sie nur durch ihren Liebhaber Luigi zu neuer Lebenslust
gelangen kann. Stimmlich zieht sie dabei alle Register von glühender
Leidenschaft bis zu bitterer Verzweiflung. Héctor Sandoval kann als Liebhaber
Luigi da nicht ganz mithalten. Sein klangschöner Tenor geht bisweilen in den
dramatischen Bögen des unter Will Humburg bewegend geleiteten Gürzenich
Orchesters Köln unter. Scott Hendricks stattet den Michele mit großem Bariton
aus und kann auch darstellerisch als innerlich zerrissener Mann, der
verzweifelt um die Liebe seiner Frau kämpft, überzeugen. Wieso Dalia Schaechter
als Frugola zu Beginn der Oper in der unteren Ebene herumstöbern muss und stets
ein bisschen verrückt wirkt, ist wohl Hartmannshenns Personenregie geschuldet.
Auch wenn der Sinn nicht ganz klar wird, setzt Schaechter ihre Rolle
darstellerisch überzeugend um. John Heuzenroeder, Ulrich Hielscher, Jeongki
Cho, Erika Simons und Juraj Hollý runden in den kleineren Partien die
musikalische Leistung gut ab, so dass es nach diesem ersten Teil großen Applaus
für die Sänger und das Orchester und größtenteils auch Zustimmung für das
Regie-Team gibt, das bis auf die genannten Punkte eine stimmige Umsetzung des
ersten Teils präsentiert.
Für Eva-Maria Höckmayrs Inszenierung von Schwester Angelica
baut Richter auf der Spielfläche noch eine weitere Ebene ein. Die Spielfläche
wird durch eine große Fensterfront mit quadratischen Fensterscheiben geteilt
und zeigt hinter dieser Wand das bürgerliche Leben, dem Angelica nach ihrem
"Sündenfall" entrissen worden ist. Zu Beginn sieht man dort die
Fürstin (Dalia Schaechter) mit Angelicas jüngerer Schwester und deren
designiertem Bräutigam speisen. Anfangs befindet sich Angelica ebenfalls hinter
dieser Wand. Der Bräutigam bietet ihr sogar Essen an, aber schließlich flieht
sie durch eine Tür und landet im Kloster, das sich durch einen großen
Glaskasten auf der rechten Bühnenseite auszeichnet, in dem die Äbtissin später
in prunkvollem Marienkostüm Platz nehmen wird. Höckmayrs Inszenierung setzt
dabei vor allem auf Farbsymbolik. So kleidet sie einen Teil der Nonnen in
leuchtend rote Gewänder. Zunächst befinden sich diese roten Nonnen nur im
unteren Teil der Bühne, was sie wie gefallene Sünder in einem Verlies wirken
lässt. Doch dieser Ansatz wird nicht durchgehalten. Im weiteren Verlauf bewegen
sich diese roten Nonnen auf allen Ebenen. Lässt sich die Sünde also nicht
einfach wegsperren? Wieso manche Nonnen ohne Kopfbedeckung auftreten, wirft
weitere Fragen auf. Bei Angelica ist es noch einigermaßen nachvollziehbar, da
sie in ihrem schwarzen Kleid mit dem weißen Kragen trotz aller Anstrengungen
nicht in den Orden passt. Vielleicht will Höckmayr auch bei den anderen Nonnen
individuelle Leidensgeschichten erzählen, aber das gibt die Kürze des Stückes
nicht her, so dass viele Ideen einfach unverständlich bleiben.
Ein Aspekt, den
Höckmayr schon beinahe mit dem Holzhammer betont, ist Angelicas Beziehung zur
Jungfrau Maria, die als einzige ohne Schuld ein uneheliches Kind empfangen
durfte. So ist es zunächst die Äbtissin, Angelicas Vorgesetzte, die als Maria
in dem Glaskasten Platz nimmt und ein Kind in weißem Gewand, das sich später
als Angelicas toter Sohn entpuppt, in den Armen wiegt. Nachdem die Fürstin mit
der Mitteilung über den Tod des Kindes Angelicas Lebenskraft gebrochen hat,
legt die Äbtissin das glänzende Marien-Gewand ab und trägt das gleiche
türkisfarbene Kleid wie die Tante. Hat also auch die Jungfrau Maria Angelica
nun im Stich gelassen? In Angelicas Todesszene taucht ein älteres Ehepaar auf,
das wahrscheinlich Angelicas verstorbene Eltern darstellen soll, die ihre
Tochter nun nach dem Leben aufnehmen wollen. Auch das Kind tritt wieder auf und
streckt die Arme nach der Mutter aus. Doch einer tatsächlichen
Wiedervereinigung verweigert sich Höckmayr und lässt Angelica allein sterben.
Höckmayrs Regie wird vom Publikum geteilt aufgenommen. Zustimmung und
Missbilligung halten sich einigermaßen die Waage. Keine Kritik gibt es erneut
an der musikalischen Umsetzung. Jacquelyn Wagner stattet die Titelpartie mit
warmem Sopran aus und setzt die Zerbrechlichkeit dieser jungen Frau auch darstellerisch
glaubhaft um. Dalia Schaechter lässt als Fürstin mit ihrer Kälte den Zuschauern
das Blut in den Adern gefrieren. Romina Boscolo überzeugt als Äbtissin mit
einem wohl-timbrierten Mezzo. Auch die anderen Sängerinnen und die Damen des
Chors überzeugen in den kleineren Partien. Höhepunkt in diesem Teil ist gewiss
das Gürzenich Orchester Köln unter der Leitung von Will Humburg, das den
melodramatischen Tonfall des Stückes genau trifft und die Aussage des Stückes
auch ganz ohne Regie allein aus der Musik heraus hätte tragen können.
Den Abschluss nach
diesen beiden tragischen Stücken bildet die Komödie Gianni Schicchi, und
Gabriele Rech setzt alles daran mit diesem schwarzhumorigen Stück einen
Kontrast zu den vorherigen Teilen aufzubauen. Großartig sind die grellen
Kostüme, in die Sandra Meurer die geldgierigen Verwandten des verstorbenen
Buoso Donati kleidet. Nur für Gianni Schicchis Tochter Lauretta hätte man sich
ein anderes Outfit als das schwarze kurze Lederkleidchen gewünscht, das nicht
ihrem lieblichen Auftreten in der großen Arie "O mio babbino caro"
entspricht. Richter hat in diesem Stück die Trennung der Spielfläche aufgehoben
und behält von Suor Angelica nur den Glaskasten auf der rechten Seite, in dem
nun eine echte Madonnen-Statue steht. Das Eröffnungsbild zeigt die Familie an
einer langen Tafel mit Buoso Donati versammelt, was man schon beinahe als eine
boshafte Anspielung auf das letzte Abendmahl deuten könnte. Bei diesem
gemeinsamen Mahl haucht Buoso Donati sein Leben aus und knallt, vielleicht etwas
platt, mit seinem Kopf auf den Teller. Herrlich schräg heucheln die Verwandten
nun ihre Trauer über sein Ableben, bis die Sorge allmählich die Runde macht,
dass er sein ganzes Geld den Mönchen vererbt haben könnte. Dass sie dann auch
die Marien-Statue bei der Suche nach dem letzten Willen des Verstorbenen
auseinander nehmen, ist an makabren Einfällen kaum zu überbieten.
Sieht man von kleineren Regie-Mätzchen ab, gelingt es
Rech, in einer stimmigen Personenregie die Geschichte zu erzählen. Dazu verfügt
sie allerdings auch über ein Ensemble, das darstellerisch einiges zu bieten
hat. Da ist zunächst Scott Hendricks zu nennen, dem die Rolle des
hinterlistigen Gianni Schicchi regelrecht auf den Leib geschrieben ist. Mit
großer Spielfreude schlüpft er in die Rolle des Verstorbenen und mimt mit
näselnder Stimme den todkranken Buoso Donati. Dabei beweist er bei der
Verkündung des neuen Testaments großartige komödiantische Fähigkeiten, die nach
dem